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Ein gutes Stück Brückenbauer-Lektüre?
Ob dieses Buch meinen Ruf in ein besseres Licht rückt? Ganz ehrlich, ich wünsche es mir sehr, aber glauben tue ich es nicht.
Das sagte Philipp Burger in einem ersten Gespräch mit seinem Verlag Kampenwand und seinen beiden Co-Autoren Karoline Kuhn und Dr. Stephan Kaußen. „Und zwar deshalb nicht, weil bei vielen Menschen in unserer Gesellschaft überhaupt kein Interesse daran besteht, etwaige Falschverurteilungen rückgängig zu machen.“
Oder gar den ersten Schritt zu einem neuen Miteinander zu wagen. Oder eine ernst gemeinte offene Hand in Richtung andere Denk- und Sichtweisen auszustrecken. Ja, dieser Mensch denkt weit über seine eigenen Erfahrungen hinaus und bringt auch den immer brüchiger werdenden Zusammenhalt der Gesellschaft zur Sprache: „Das betrifft weiß Gott nicht nur mein Leben, sondern leider viele Menschen des öffentlichen und sogar nicht öffentlichen Lebens, bei denen irgendwie, irgendwo, irgendwann mal was gewesen ist. Ich habe es immer als den besseren Weg, als meine Pflicht angesehen, zu meiner Geschichte und meinen Fehlern zu stehen.“
Und diese Geschichte hat es in sich. Gefeierter Rockstar – und gleichzeitig angefeindete Persona non grata. Seine Geschichte hat ein Kapitel, das in Deutschland fast einer Todsünde gleichzukommen scheint: In seiner Jugend in Südtirol war er ein „anti-italienischer rechter Skinhead“.
„Ich halte diese Biografie gerade deshalb für so stark, weil sie uns Deutschen eine neue Sicht nicht nur auf diesen Burger, sondern auch auf uns selbst gibt“, ergänzt Politikwissenschaftler Stephan Kaußen. Der bekannte Journalist (ARD, Phoenix, ntv) hat sich mit auf diese gemeinsame Reise begeben. Und Co-Autorin Karoline Kuhn ergänzt: „Wir haben nun gemeinsam fast zwei Jahre lang Philipp Burgers Leben und alle damit verbundenen Fragen ausgeleuchtet. Und das Spannende ist doch die Frage, wie sich Menschen wandeln und wer welchen Wandel anerkennt.“
Ja, gerade in Zeiten des Hubert Aiwanger, in Zeiten von vielleicht bevorstehenden Wahlbeben, in Tagen von großem Medien-Misstrauen und und und ist dieses vielleicht das Buch des Jahres, zumal sich immer mehr Menschen abgehängt und vorverurteilt fühlen. „Wir brauchen doch auch eine Art von kaum noch vorhandener Fehler-Vergeb-Kultur“, so Burger. Bämm, was für ein Gedanke?!
Kommt dieses Buch vielleicht deshalb tatsächlich genau zur richtigen Zeit? Dieser Philipp Burger ist damit sogar wahrscheinlich zu einer Art BRÜCKENBAUER geworden. „Vielleicht braucht es sogar eine neue Art von Brückenbauer-Lektüre?“, fragt Stephan Kaußen, der selbst mehrere Bücher über Nelson Mandela geschrieben hat. Also über den Brückenbauer der Weltgeschichte schlechthin.
Brücken bauen zwischen was? Vielen verhärteten Fronten. So einfach und doch komplex ist die Aufgabe. Dies ist eine autobiografische, NICHTS unter den Teppich kehrende Geschichte eines Menschen, der selbst das Verzeihen lernte (lernen musste). Der Dankbarkeit als prägenden Teil seines Lebens sieht und dem das „Aufeinander-Zugehen“ zu einer seiner wichtigsten Lebensaufgaben geworden ist. Vor allem unter denen, die sich heute egal in welcher Ecke oder noch so moralisch vermeintlich einzig richtigen Mitte sehen.
Nein, Philipp Burger, hat seine Fehler nie verschwiegen – aber genau diese hängen ihm bis heute nach. In großen Teilen der Medienwelt, noch größeren Teilen der Musikbranche, bei vielen Bands und Musikern, auch nicht selten bei Extremismus-Experten. Getriggert von all diesen, leider auch bei vielen Menschen der restlichen Gesellschaft immer wieder gedrückten „Der ist doch?- oder Wie konnte er nur“-Knöpfen. „Und das heute vielleicht noch mehr als vor 10 oder 15 Jahren“, hat Philipp Burger genügend Narben auf seinem „Weg von rechts nach überall“ gesammelt. Dank der immer stärker um sich greifenden CANCEL CULTURE und der „anscheinend immer größer werdenden Lust vieler Menschen, lieber irgendwelche Stempel zu verpassen, als zweite Chancen zu geben“, so Burger.
„Freiheit mit Narben“. Ob Musiker, ob Landwirt, ob Handwerker oder Familienmensch, Philipp Burger ist mehr als der umstrittene Frei.Wild-Sänger. „Er ist natürlich im weitesten Sinne konservativ, ja“, so Kaußen. „Aber er ist mindestens ebenso liberal und sozial!“
Und eine Aussage von Philipp Burger – unmittelbar vor der Veröffentlichung am 10. Oktober – dürfte auch seine Fans ebenso überraschen wie freuen:
Ich hätte es vorher nie erwartet, aber dieses 400-Seiten-Buch ist genau das, wozu meine bisherigen Aussagen in Interviews und unsere Lieder so vollumfänglich noch nicht im Stande waren. Nämlich mir selbst ganz tief auf den Grund zu gehen. Mich selbst und die Gründe, warum ich bin wie ich bin, nochmals neu zu entdecken.
Auszüge / Zitate aus „Freiheit mit Narben“
„Wir sahen uns in eine Ecke gedrängt, in der wir nicht sein wollten. Eine, für die wir auch überhaupt nicht standen. Insbesondere ich selbst hatte das ekelhafte Gift der braunen Skinhead-Szene doch schon in meiner Jugend gekostet und mit großem Ekel wieder ausgekotzt. Noch einmal Spielball für Hater und Unbelehrbare? Noch einmal Hass über Liebe? Noch einmal stumpfe Gewaltfantasien und verdammte Kreuze mit Haken? Niemals! Dafür stehe ich nicht, dafür stehen meine Lieder nicht, dafür steht Frei.Wild nicht. Hört mir einfach zu, ich stelle mich – aber bleibt bitte fair. Gebt mir eine gerechte Chance, mich zu zeigen, wie ich wirklich bin. Lasst mich einer von denen sein, die sich geändert haben und sich in der Mitte der Gesellschaft sauwohl fühlen.“
„Nicht mit Leuten zu sprechen, sondern über sie, Menschen auszugrenzen und abzulehnen, ohne sich ihre Seite des Ganzen anzuhören – das bewirkt immer nur, dass alles noch schlechter wird. Genauso war es in meiner Rightwing-Sturm-und-Drang-Jugendzeit: Je mehr Menschen mir die kalte Schulter zeigten, umso mehr bäumte ich mich gegen sie auf. Je mehr Menschen mich als Nazischwein bezeichneten, desto mehr wollte ich mich von ihnen abgrenzen. Und desto radikaler vertrat ich Ansichten, die der nackten Provokation dienten.“
„Insbesondere noch ungefestigte Jugendliche, denen man immer wieder sagt, dass man sie nicht haben will, dass sie Scheiße sind, dass sie nicht dazugehören, werden sich potenziell immer mehr radikalisieren. Und eher keine Offenheit für eine Änderung zeigen.“
„Niemand wird umdenken oder seine geistigen Systeme wirklich in Frage stellen, wenn die vermeintlich ‚bessere‘ Seite von oben auf ihn herabsieht und auf ihn eindrischt.“
„Das beste Auffangnetz meines Lebens war aus Liebe und Verständnis gestrickt – und eben nicht aus Ablehnung und Zorn. Zum Glück bin ich in dieser Zeit irgendwann auch Menschen begegnet, die sich meine Meinung geduldig anhörten und mir aus meinem kruden Weltbild zwischen Gruppenzwang und Alkohol keinen Strick drehten. Menschen, die mich ernst nahmen. Darin lag der Hebel, der in mir ein Umdenken bewirkte. Langsam, aber sicher bemerkte ich, dass mir die Werte und Einstellungen dieser Leute – nämlich Gemeinschaftssinn, Nächstenliebe und Toleranz – besser gefielen als das, was ich bisher gelebt hatte. Ich fing an, mich zu hinterfragen, mich zurück in die Mitte zu bewegen und schaffte so schließlich den Ausstieg.“
„Solche Gespräche hatte ich schon ewig nicht mehr geführt. Auf einmal bekam ich einen intellektuellen Input, der sich absolut großartig anfühlte nach all den Jahren, in denen ich nur dumpfes Zeug gehört und ebenso dumpfes Zeug geredet hatte.“
„Ja, ich hätte meine Jugendsünden verschweigen oder kleinreden können. So, wie es viele andere gemacht haben. Ich habe mich aber für die Variante mit offenem Visier entschieden. Und sogar dafür, dieses Visier im Zweifel lieber fast schon übertrieben weit zu öffnen, als mich der Vermutung auszusetzen, ich würde irgendwas unter den Teppich kehren.“
„Meine Zeit in der rechten Skinhead-Szene Südtirols habe ich schon öfter als die beschissenste meines Lebens bezeichnet. Weil auf dem Rückspiegel einfach extrem eklige Scheiße klebt. Ich habe andere Menschen gehasst, die ich gar nicht kannte. Ich ignorierte mein eigenes Herz, das mir doch eigentlich genau sagte, was richtig und falsch ist. Ich hatte offensichtlich zu wenig Selbstbewusstsein, um dem Gruppendruck zu widerstehen – und andersherum war ich leider auch oft genug dafür verantwortlich, ihn selbst zu erzeugen. Ich möchte auch gar nicht wissen, wie viele tolle Menschen ich mit meiner kahlrasierten Fratze abgeschreckt und damit für immer verpasst habe. Was für eine verdammte Arroganz und Zeitverschwendung!“
„Niemand wacht einfach eines Morgens auf und ist plötzlich rechter Skinhead. Oder gar Die-Hard-Neonazi. Alles im Leben hat immer eine Vorgeschichte. Jede Entscheidung basiert auf Prozessen. Es sind die Begegnungen, die Erfahrungen, die Zufälle, die wir alle durchlaufen, jeder auf seine ganz eigene Art.“
„Heute würde man sowas wohl als „Filterblase“ bezeichnen: Du umgibst dich mit Leuten, die das Gleiche denken und sagen. Vielleicht auch von denselben Sorgen geplagt werden. Und wie das so ist mit der Herdendynamik, bringt man sich so um die Fähigkeit zum selbstständigen Denken. Wenn alle das Gleiche blöken, hört sich das Blöken richtig an. Und die eigene Stimme der Vernunft verliert zusehends an Macht.“
„Wie dumm und dämlich wäre ich denn, wenn ausgerechnet ich, der durch seine selbst offen dargelegte Vergangenheit eh schon einem Nazi-Generalverdacht unterliegt, wissentlich ein Zitat aus einer Nazi-Rede aufgreifen würde?“
„Überhebliches, radikales, rassistisches oder ausgrenzendes Gedankengut führt in schlimme Sackgassen und zu unfassbar viel Leid und Elend. Ich werde nicht aufhören, genau vor diesen falschen Wegen zu warnen. Und andere bei der Entscheidung für einen besseren Weg in ihre Zukunft zu unterstützen. Für gesunde Werte zu kämpfen und für Freiheit, Gerechtigkeit und Menschlichkeit einzustehen.“
„Die Wichtigkeit von Diversität für unser aller (Über)Leben ist in den letzten Jahren wohl auch dem letzten Menschen klargeworden. Ob Tier- und Pflanzenarten – die Vielfalt aus Alteingesessenen und dennoch immer neu Hinzukommenden gehört seit jeher zu unserer sich immer schon im Wandel befindenden Welt. Bestehendes und Neues können gemeinsam, trotz aller Unterschiede, eine wunderbare Balance halten.“
„Werte wie Kultur, Traditionen und Religionen geben Menschen Wurzeln, hindern sie aber nicht an Modernisierungsprozessen. Oder lassen sie gar andere Kulturen geringer schätzen und deren neue und dem friedlichen Zusammenleben zugewandten Einflüsse blockieren – ganz im Gegenteil. Wer sich seiner selbst sicher ist, wird allem ‚Fremden‘ mit weniger Angst und mit mehr Neugier und Offenheit begegnen. Davon bin ich überzeugt.“
„Wer Menschen, die gerade mit knapper Not einem grausamen Krieg oder einer Verfolgung entkommen sind, die ihrer Heimat entfliehen mussten oder auf der Flucht ihre Liebsten verloren haben, wer solche Menschen hier wieder bedroht und terrorisiert, ist schlichtweg ein asoziales Arschloch. Gegen Rassismus zu sein ist für mich eine Frage des An- und Verstands!“
„Gerade ich, der den Wert der Heimat mit ihrem Gefühl von Sicherheit, Zugehörigkeit und Raum für eigene Entfaltung so hochhält, will mir gar nicht vorstellen, wie schwer es für diese Menschen gewesen sein muss, diese Heimat zu verlassen. Und sich irgendwo in der weiten Ferne neu verwurzeln zu müssen. Sollte mir sowas passieren, kann ich nur hoffen, nicht mit Zorn und Abneigung empfangen zu werden.“
„Meine Welt ist eben nicht einfach nur schwarz oder weiß, nicht links oder rechts, nicht gut oder böse. Ich stehe irgendwo in der Mitte und genau darin liegt auch die Schwierigkeit, mich einzuordnen. Aber will ich das überhaupt? Will ich in eine Schublade, einen Käfig passen? Nein, ich bin unschubladisierbar.“
„Was geschieht eigentlich mit all den jungen Menschen, die zu unseren Konzerten kommen möchten und sichtlich auf politischen Irrwegen wandern? Wie sollten wir ihnen am besten begegnen? Bisher haben wir als Band den Weg verfolgt, Leute mit erkennbar extremen Symbolen vor die Tür zu setzen. So, wie es all die anderen Bands in Deutschland auch machen. Doch ist das nicht der genau falsche Weg? Sollten wir als Menschen, die ein Mehr an Erfahrung haben, nicht anders agieren? Wäre es nicht viel besser, diesen Leuten erst recht Offenheit entgegenzubringen und ihnen Zutritt zu gewähren? Sie Teil des Konzertes, der Mitsing-Chöre, der wunderschönen Emotionen werden zu lassen, mit Songs und Ansagen eine ganz andere, positivere Sicht der Welt zu vermitteln und sie mit neuen Gedanken zu erreichen?“
„Ich glaube mittlerweile, dass wir mit der bisher verfolgten Strategie auf dem Holzweg sind. Wir und hunderte andere Bands auch. Und es uns viel zu einfach machen. Jemandem von vornherein mit ‚Du darfst hier nicht rein, dich will ich hier nicht haben‘ zu begegnen, wird keine guten Früchte tragen, sondern genau das Gegenteil bewirken. Bei mir selbst war das früher jedenfalls so. Frustriert vor der Partytür zu stehen, voller Enttäuschung rumzupöbeln, seinen Groll dann erst recht in Alkohol zu ertränken – genau das erlebte ich als rechter Skinhead immer und immer wieder.“
„Ausgrenzung und Diskriminierung führen erfahrungsgemäß nirgendwohin, wo man sich glücklich fühlt; sie führen zu abgehängten Randgruppen. Das gilt sogar für gut gemeinte Aktionen wie #wirsindmehr. Leider basieren aber auch diese auf „Wir gegen die“-Gehabe, auf Abgrenzung der „Guten“ von den „Bösen“. Sich vertrieben, unerwünscht und abgestempelt zu fühlen, genau das bindet den Kern der Ausgegrenzten noch enger aneinander. Und nimmt die letzte vielleicht noch verbliebene Lust, für andere Gedanken erreichbar zu sein. Die verlockenden Fallen der extremen Szenen beruhen nämlich immer auf ein und demselben Prinzip: „Hier bist du willkommen, wir passen auf dich auf, hier sind deine echten Freunde … und all die anderen wollen dich nicht haben.“ Um Jugendliche zurückzuerobern, muss man ihnen Brücken zeigen, über die sie in eine bessere Richtung gehen können. Öffnung statt Isolation, „Komm rein“ statt „Hau ab“ – heute glaube ich, damit hätten wir alle mehr erreicht.“
„Ich will damit nicht nur uns, sondern auch alle anderen Kunst- und Musikschaffenden ein bisschen an ihrem ‚Wir sind besser‘- Kragen schütteln. Weniger von oben herab und mehr offene Arme – ich bin überzeugt, nur das wird Menschen den Weg zurück ins gesunde Herz der Gesellschaft pflastern. Lasst uns in der Mitte treffen!“
„Der Vorwurf, „irgendwie rechts“ zu sein, hat ja bekanntlich viele Facetten. Vor allem aktuell nach den ganzen hitzigen Corona-, Umweltschutz-, Russland-Ukraine-, Gender- und Kulturelle Aneignungs-Debatten ist diese „irgendwie rechts“-Facettenvielfalt sogar noch krasser geworden, als sie es eh schon war. Sprich: Die nicht selten lapidar ausgesprochenen „politisch rechts“-Anschuldigungen erweisen dem friedlichen Zusammenleben in meinen Augen einen Bärendienst. Vor allem weil Begriffe wie „Wutbürger“, „Schwurbler“, „Alter weißer Mann“, „Leugner“ und all ihre Konsorten ganz bewusst auch nach Diffamierungs-Duktus klingen und allzu gern zum „Schubladisieren“ von Menschen verwendet werden.“
„Was ist denn nun ein „gesunder“ und was ein „giftiger“ Heimatbezug? Und wer legt das fest? Wer grenzt diesen ein oder aus?“
„Heimat bedeutet für mich, FÜR etwas zu sein und nicht GEGEN.“
„Nachhaltige Landwirtschaft ist ein gutes Beispiel dafür, dass konservativ sein nicht automatisch etwas mit Rückständigkeit oder gar mit politischer Rechtslastigkeit zu tun hat. Sondern eben mit dem Bewahren von etwas Wertvollem, das sich vielfach bewährt hat. Und im Fall der Zucht alter Rinderrassen den klimakillenden Wahnsinn unnötig macht, überteuertes Rindfleisch aus Japan oder aus Argentinien um die halbe Welt zu karren.“
„Ich finde es spannend, dass jetzt vielen klar wird, dass die vermeintlich altmodischen, irgendwie anrüchigen Ansichten wie eben die regionale Versorgung, die Zurückeroberung von lokalen Entscheidungsstrukturen und die Rückbesinnung auf traditionelle und nachhaltige Anbaumethoden vielleicht doch nicht ganz so falsch sind.“
„Wisst ihr, was ich mir wünschen würde? Dass in unser aller Hirne und Herzen eine Art von neuer Fehlerverzeihkultur wächst. Nur so können wir Gräben schließen. Treten wir doch endlich in einen Dialog ein – ohne einseitige moralische Absolutheitsansprüche. Lasst uns über unsere unterschiedlichen Sichtweisen sprechen und auch gern hart diskutieren. Ich liebe solche von mir aus auch lauten und wild geführten Gespräche. Eine Diskussionskultur – wenn sie anständig gepflegt wird – ist unumgänglich, sei es auf dem Schulhof oder am Arbeitsplatz in der Kaffeepause. Weil dadurch etwas in Bewegung gesetzt wird, etwas Neues wächst, das über sofortiges Ablehnen des Anderen und Andersartigen hinausgeht. Im einfachsten Fall ist man sich seiner eigenen Meinung danach sicherer. Im besten Fall hat man mehr Verständnis für alternative Positionen gewonnen. Mauern aufgebrochen und vielleicht sogar die Fähigkeit erlangt, sich besser in die Lage des anderen hineinzuversetzen.“
„Statt dieser ewigen Angriffs- und Verteidigungskämpfe gäbe es so viel Potenzial, uns gemeinsam um die brennenden Themen und vor allem um die Menschen zu kümmern, die wirklich Hilfe brauchen und gehört werden sollten.“
„Es ist wunderschön und ein hohes Gut, dass es so viele unterschiedliche Meinungen gibt. Und dass wir in einer Demokratie leben, in der das Recht auf freie Meinungsäußerung im Grundgesetz verankert ist. Leider werden heute in öffentlichen Debatten nicht selten eher Etikettierungen verteilt statt Argumente ausgetauscht. Genau das hat in meinen Augen zu einem weitaus eingeengteren Diskussionsklima geführt, als ich es mir wünschen würde.“
„Ich finde es gut, wenn sich Menschen aneinander reiben. Sich auseinandersetzen. Aber miteinander. Genau das sehe ich als eine total wertvolle und einzigartige Fähigkeit der Menschheit an. Das unterscheidet uns nämlich von Steinen, die nur rumliegen und nichts sagen. Lasst uns also aufhören, Steine zu sein. Oder welche zu werfen. Und lieber miteinander reden.“
Rezensionen
Gesellschaftlich top-relevante Themen des Buchs „Freiheit mit Narben“
- Philipp Burger kommt aus einem intakten, gebildeten Elternhaus (die Mutter ist Geschichtslehrerin!) und einem heilen sozialen Umfeld. Wie kommt so jemand auf rechte Abwege? Welche Dynamiken und Sehnsüchte stehen dahinter, bei denen man präventiv ansetzen könnte? Und viel wichtiger noch: Wie ist er da wieder herausgekommen? Was hat ein Umdenken und seinen letztlichen Ausstieg bewirkt? (Spoiler: Es waren NICHT „Nazis raus!“-Parolen …)
- Obwohl Philipp Burger – anders als beispielsweise ein Hubert Aiwanger – immer offen mit den Fehlern seiner Vergangenheit umgegangen ist und sich mehr als deutlich von seinen früheren Sichtweisen distanziert hat, wird er auch 20 Jahre später immer wieder darauf reduziert, geschnitten, gecancelt, als persona non grata betrachtet. Welche Botschaft sendet das? Was wollen wir als Gesellschaft denn eigentlich von Rechten, wenn ein öffentliches Abwenden offensichtlich nicht genügt? Wohin soll das führen?
- Wie gehen wir generell mit Menschen um, die Fehler gemacht (und eingesehen) haben? Brauchen wir, wie Philipp Burger sagt, nicht nur eine bessere Fehlerkultur, sondern vielmehr „eine neue Fehler-Vergeb-Kultur“ statt der um sich greifenden Cancel Culture, die ganz klar zu nichts Gutem, sondern nur zu immer größerer Spaltung und Abkapselung führt?
- Wie ist das mit der Meinungsfreiheit? „Wir müssen wieder lernen, respektvoll und angstfrei Meinungsverschiedenheiten zu diskutieren“. Wie kann das aussehen?
- Wie kann eine attraktive, tolerante, inklusive, moderne, „unspießige“ neue Mitte jenseits von „rechts/links“-Schubladen aussehen?
„Wo steht was im Buch“
- S. 23-32 Allgemeines zum Thema „Ausgrenzung Andersdenkender/Diskussionskultur/Zusammenfinden statt Canceln“
- S. 103 ff Rechte Musik als Katalysator
- S. 126 ff Gründe für Radikalisierung
- S. 152 harte Phase, Kaiserjäger, rechter Text
- S. 166 ff Gründe für Umkehr und Ausstieg
- S. 205 f, S. 226 ff Frei.Wild-Texte und der Heimatbegriff – Was ist Heimat?
- S. 216-218 Thema Gewalt
- S. 249 Burnout und Depression und der Weg hinaus
- S. 290 die Sache mit den „Freiheitlichen“
- S. 346 ff „Kuban“ Hetzkampagne und Echo-Eklat
- S. 358 zum Vorwurf „immer noch rechtes Gedankengut in den Texten“
- S. 363 klare Positionierung zu Geflüchteten und Rassismus
- S. 370-373 Umgang mit Rechten auf Frei.Wild-Konzerten
- S. 378 ff Begriffsklärung „konservativ“ und Heimat
- S. 47 ff, S. 256 ff, S. 333 ff Glaube, Vergebung, Hoffnung
Grenzland
Philipp Burgers zweites Soloalbum „Grenzland“ knüpft genau dort an, wo „Kontrollierte Anarchie“ (Platz 1 der Deutschen Albumcharts) aufgehört hat. Die 15 Songs (+ zusätzlichem Hidden-Track) sind allesamt melodische, mitsingbare, mutgebende, vor allem aber musikalisch sehr breit aufgestellte Botschafter seiner geistigen Uffizien. Gewohnt vom rockig-hittigen Soundkleid ummantelt, erzählen die neuen Lieder auch dieses Mal auf sehr autobiografische, aber auch weit über Philipps persönliche Befindlichkeiten hinausgehende Weise jene Geschichte, die abertausende Menschen seiner Generation teilen. Philipp sieht sich Zeit seines Schaffens als Musiker in der Pflicht, Herzen mit Freude zu füllen, Hirne mit Verstand zu düngen und das Gift aus den Tanks der Seele zu leeren, um sie dann mit positiven Inhalten zu füllen. „Grenzland“ wird, genau wie sein Debut-Soloalbum "Kontrollierte Anarchie", Herzen höherschlagen lassen. Und, wie von Philipp auch bewusst gewünscht, Diskussionen entfachen. Ob „Weckt die Punks, weckt die Skins“, ob „Mandy hat Doppel-D“, ob „Liebe.Macht.Idioten“ oder „Erzähle mir von deinem Leben“, all diese Nummern halten das bereit, was den einen oder anderen „Verbotswütigen“ zum Kotzen, euch aber zum Nachdenken bringen wird. Rockfans beschert dieses Album Mitsinggarantie und vor allem Lust zum Feiern mit „Wichser gibt es überall“, „Meine DNA“, „Bauer sein ist geil“ und „Verloren in zwei Welten“, aber auch bei Nummern wie „Hier kommt keiner ohne Narben raus“ oder dem Album-namensgebenden Track „Grenzland“. Und noch so einige mehr! Auf ins Neuland, auf ins „Grenzland“, auf zu noch unbekannten Liedern.